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Was ist Critical Whiteness?

Infokasten:

Schwarz ist eine politische Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismuserfahrungen machen. Dabei geht es um Erfahrungen und nicht um biologische Gemeinsamkeiten. Und es geht um die (gemeinsamen) Erfahrungen von Widerstand. Schwarz wird auch als Adjektiv groß geschrieben.

People of Color (PoC) ist auch aus dem Selbstbezeichnungsprozess rassistisch unterdrückter Menschen entstanden und benennt die Erfahrungsgemeinsamkeiten zwischen Communities mit unterschiedlichen historischen und geographischen Hintergründen.

weiß wird klein und kursiv geschrieben um darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Positionierung und soziale Zuschreibung als weiß in einer rassistisch strukturierten Gesellschaft handelt.

Die Begriffe sind politische und gesellschaftliche Konstruktionen, die jedoch reale Auswirkungen auf die Personen haben, die einer Gruppe (fremd-)zugeordnet werden.

Rassifizierung bezeichnet den Prozess, der Menschen aufgrund verschiedener Merkmale einer Gruppe (fremd)zuordnet, in Abrenzung zum weiß- sein. Dadurch wird ausgedrückt, dass Kategorien nicht natürlich sind, sondern von Menschen konstruiert werden und dadurch ihre Macht kriegen. Rassifizierte Menschen sind folglich Menschen, die als Schwarz oder PoC gelesen werden.

Happyland: Mit Happyland beschreibt Tupoka Ogette in ihrem Buch ‚Exit racism‘ den Zustand, in dem sich weiße Personen befinden, die Rassismus noch nicht als gesamtgesellschaftliches Problem wahrgenommen haben. Es ist ein Ort, der „von Weißen für Weiße geschaffen wurde, damit sie es dort gemütlich haben […], wo Menschen Privilegien auf Kosten anderer Menschen genießen und das meistens komplett unbewusst, mit einem Lächeln im Gesicht und wirklich guten Intentionen“ (Ogette 2019, S. 23).

 

Literaturverweise und -tipps:

Adichie, Chimamanda Ngozi (2016): The Danger of a Single Story. Ted Talk.

Arndt, Susan / Eggers, Maureen Maisha /Kilomba, Grada /Piesche, Peggy (Hrsg.) (2017): Mythen, Masken und Subjekte. Münster: Unrast Verlag

Bollwinkel, Tsepo (2015): Was ist Critical Whiteness.

Marmer, Elina / SOW, Papa (Hsrg.): Wie Rassismus aus Schulbüchern spricht. Weinheim und Basel: Beltz, Juventa. S. 110 – 129

Ogette, Tupoka (2019): exit Racism. Münster: Unrast Verlag

Petter, Jan (2020): Afrozensus: Wie viele Schwarze leben in Deutschland? Eine Zählung soll Schwarze in Deutschland sichtbarer machen. Hamburg: Der Spiegel.

Sow, Noah (2018): Deutschland Schwarz Weiß. Norderstedt: Books on Demand

Hasters, Alice (2019): Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten. Hanserblau.

Jewell, Tiffany (2020): Das Buch vom Anti- Rassismus. Zuckersüß Verlag

BLATT 1/2017: Ein Problem des Blickwinkels. Was hat es mitdiesem Critical Whiteness eigentlich auf sich?

BLATT 1/2017: White Charity. Was hat die Plakatwerbung deutscher NGOs mit Rassismus und Kolonialismus zu tun?

 

 

Was ist Critical Whiteness?

Eine Einführung für weiße Menschen

Dieser Beitrag richtet sich insbesondere an weiße Menschen, weil wir davon ausgehen, dass Privilegien und Ungleichbehandlungen auf der privilegierten Seite oft nicht so sehr wahrgenommen werden, während Angehörige diskriminierter Gruppen gewaltvolle Handlungen oder den erschwerten Zugang zu Ressourcen ziemlich spürbar wahrnehmen. Außerdem basiert dieser Artikel auf Schwarzen Erkenntnissen, die bereits seit Jahrhunderten in Schwarzen Wissensbeständen bekannt sind.

 

Weißsein ist für viele Menschen in unserer Gesellschaft normal. Wir wachsen mit überwiegend weißen Mitmenschen, Erzieher*innen, Lehrer*innen auf. In unseren Kinder- und Schulbüchern sind weiße Menschen abgebildet.

Obwohl Schwarze Menschen seit dem 15. Jahrhundert in Deutschland leben und ca. 800.000 bis eine Millionen Deutsche Schwarz sind, sind Darstellungen von Schwarzem Leben in Deutschland stark unterrepräsentiert.

Darstellungen von Schwarzen Menschen finden sich meist nur in Büchern über afrikanische Länder. Und wie sehen dann diese Darstellungen aus? Sehen wir Dozent*innen der Universitäten in Südafrika, Ghana oder Uganda, Ärzt*innen in Krankenhäusern in Kamerun oder Nigeria und Menschen in den Metropolen in Kenia und Namibia? In meinem Kopf kommen auf jeden Fall andere, viel einseitigere Bilder auf.

Dass ich als weiße Person in Deutschland meistens Teil einer weißen Mehrheit bin und Leute mit meiner Hautfarbe in Medien, der Werbung oder Lehrmaterialien repräsentiert werden, ist ein großes Privileg. Außerdem werde ich nie zur Fremden oder Anderen gemacht in Deutschland. Das heißt, dass ich nie gefragt werde, wo ich denn wirklich herkomme, nachdem ich schon Hessen auf die Frage geantwortet habe. Meine Anwesenheit hier in Deutschland wird als normal und selbstverständlich angesehen. Außerdem habe ich kein Problem, in Drogeriemärkten passendes Make-Up und hautfarbene Pflaster zu finden, die tatsächlich auch meiner Hautfarbe entsprechen. Anders geht es dabei oft unseren Mitbürger*innen of Color. Solche und andere rassistische und gewaltvolle Erfahrungen machen sie täglich.

 

Critical Whiteness ist eine (Überlebens-)Wissenschaft Schwarzen Ursprungs, die das Verhalten (z.B. diese Fragepraktiken und Sprechweisen) von weißen Menschen und dessen Auswirkungen auf People of Color und Schwarze Personen untersucht. Dabei werden nicht nur individuelle und oft verinnerlichte Verhaltensweisen von uns weißen Personen untersucht, sondern auch gesellschaftliche und politische Mechanismen weißer Dominanz.

Für uns Weiße ist die Beschäftigung mit Critical Whiteness eine notwendige Querschnittsaufgabe, wenn wir Demokratie ernst nehmen und Diskriminierung angehen wollen. Wir als (oftmals unbewusst) Ausübende von Rassismus müssen uns als Täter*innen begreifen, weil wir in einer Gesellschaft leben, die Menschen aufgrund von Rassifizierung ungleiche Möglichkeiten und (Überlebens-)Chancen einräumt.

Critical Whiteness in der praktischen Anwendung im Leben weißer Personen kann beispielsweise die Beschäftigung mit eigenen Denk- und Sprechweisen sein, die gewaltvoll gesellschaftliche Realität herstellen; zum Beispiel indem sie das Gegenüber zur*zum Anderen oder Fremden machen.

Natürlich ist Rassismus ein strukturelles Problem, das sich nicht nur zwischenmenschlich äußert, sondern alle Ebenen der Gesellschaft durchzieht. Dennoch können wir als Einzelpersonen unseren Beitrag leisten, die Gesellschaft ein bisschen weniger toxisch zu machen. Rassismus ist nämlich nicht nur giftig für rassifizierte Personen, sondern auch für weiße Menschen, weil sie die Möglichkeit verlieren, auf Augenhöhe mit ihren Mitmenschen zu leben.

Schwarze Erkenntnisse (insbesondere Critical Whiteness) können wir weiße Personen als Chance sehen, unsere Privilegien wahrzunehmen und anzuerkennen, dass es nicht ausreicht, sich als anti-rassistisch zu bezeichnen. Es ist notwendig, aktiv an einer diskriminierungssensibleren Gesellschaft mitzuarbeiten und dabei bei uns selbst anzufangen. Um es in Tupoka Ogettes Worten zu sagen: Wir müssen uns auf die Reise begeben, Happyland zu verlassen!

 

Von Mitch