"Gegen das Vergessen"

 

Was sind eigentlich...

... Stolpersteine

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig zum Gedenken an Menschen, die während der NS-Zeit verfolgt und ermordet wurden.

Es handelt sich dabei um kleine Betonsteine mit einer Messingplatte, auf die der der Name der Person, Geburts- und Todesdatum sowie ihr Schicksal (z.B. „deportiert und ermordet“) eingraviert sind. Diese Steine werden am letzten selbst gewählten Wohnort der Person in das Straßenpflaster eingelassen. Die Kosten pro Stein betragen aktuell 120€. Über 61.000 dieser Steine wurden bis heute in Deutschland und ganz Europa verlegt.Weitere Informationen sind auf der Website des Projektes zu finden: www.stolpersteine.eu



 

Weitere Informationen rund um das Projekt finden sich in der Broschüre „Umstädter Stolpersteine – Eine Dokumentation“, die gegen eine Schutzgebühr von 4€ beim BDP Groß-Umstadt erhältlich ist. Kontakt: og.grossumstadt [at] bdp.org (og.grossumstadt[at]bdp.org)

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BLATT 1-2018 S. 20| EINBLICK

„Gegen das Vergessen“

das Stolpersteinprojekt der BDP Ortsgruppe Groß-Umstadt

In der Schule kann einem das Thema Nationalsozialismus manchmal ganz schön auf die Nerven gehen. Denn wenn es eine Epoche gibt, die im Geschichtsunterricht mehr als ausführlich behandelt wird, dann ist es diese. Dennoch werden die Ereignisse der Jahre 1933-1945 immer wieder nicht nur von Lehrer_innen sondern auch in der Jugendverbandsarbeit thematisiert.

So zum Beispiel von den Jugendlichen der hessischen BDP-Ortsgruppe aus Groß-Umstadt, die sich von 2008 bis 2015 in ihrem Projekt „Gegen das Vergessen“ den Schrecken des Dritten Reichs widmeten.

Die BDPler_innen wussten: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte gibt uns wichtige Anhaltspunkte für die Gegenwart. Gerade in Zeiten eines Rechtsrucks in ganz Europa wird es umso wichtiger, sich das wohl düsterste Kapitel der deutschen und europäischen Geschichte vor Augen zu rufen. Die Beschäftigung mit diesen Jahren erinnert uns an die schrecklichen Verbrechen, die damals begangen wurden. Sie hilft uns aber auch rechte Strukturen und ihre Gefahren heute zu erkennen und ihnen aktiv entgegenzuwirken, um zu verhindern, dass sich die Geschehnisse von damals wiederholen. Das macht Erinnerungsarbeit besonders wichtig, gerade in der antifaschistischen, demokratischen und politischen Jugendarbeit, wie sie der BDP betreibt.

In Groß-Umstadt gibt es bereits seit Jahrzehnten eine BDP-Ortsgruppe, die dort einen Raum des Jugendzentrums nutzt und einen Garten von der Stadt gepachtet hat. Zu ihr gehören mehrere Untergruppen, von denen die 2006 gegründete AG Politik und Aktion die aktivste ist. Diese besteht aus bis zu 15 Personen, die sich wöchentlich zur Planung politischer Aktionen im Jugendzentrum oder im BDP-Garten treffen.

Im Rahmen von „Gegen das Vergessen“ beschäftigten sich die Jugendlichen von 2008 bis 2015 mit einer besonderen Form des Gedenkens. Die Umstädter BDPler_innen wollten nicht nur an speziellen Tagen an die Geschichte erinnern, sondern dauerhafte Möglichkeiten des Gedenkens schaffen und gleichzeitig ihre Mitbürger_innen dazu anregen, sich mit der Geschichte ihres Heimatortes im Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Denn auch hier hatten vor der Machtübernahme durch die NSDAP Menschen jüdischen Glaubens gelebt, die in den folgenden Jahren Opfer von Ausgrenzung, Diskriminierung, Gewalt, Verfolgung und schließlich auch der Deportation in Konzentrationslager geworden waren, wo sie dann ermordet wurden.

Mithilfe des Stadtarchivs und der Archive verschiedener Gedenkstätten, unter anderem Yad Vashem (der israelischen Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem) recherchierten drei Generationen BDPler_innen die Namen und Schicksale von 26 Menschen aus Groß-Umstadt, die Opfer des Holocaust geworden waren. Über mehrere Jahre hinweg sammelten sie Spenden und warben um Unterstützung für ihr Projekt. Durch diese konnten sie dann im Rahmen mehrerer Veranstaltungen für jede dieser Personen durch Gunter Demnig einen Stolperstein vor deren ehemaligen Wohnhäusern verlegen lassen.

Stolpersteine stellen eine besondere Form des Denkmals dar, da sie sich nicht an speziellen Orten des Gedenkens befinden, sondern inmitten von Städten auf den Straßen und Gehwegen. Auf diese Weise „stolpern“ Passant_innen auch in ihrem Alltag buchstäblich über die Geschichte und werden auf die Schicksale der Menschen aufmerksam, die vor über 70 Jahren an diesem Ort gewohnt haben und von dort vertrieben wurden.

Auch sind Stolpersteine nicht, wie die meisten anderen Denkmäler, pauschal einer ganzen Menschengruppe gewidmet, sondern geben jedem einzelnen Opfer einen Namen und eine Identität und sorgen auf diese Weise dafür, dass speziell dieser Mensch nicht in Vergessenheit gerät. Denn, wie Gunter Demnig gerne den Talmud, eine zentrale Schrift des Judentums, zitiert: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“

Die Stolpersteine sind zwar der wichtigste, jedoch nicht der einzige Bestandteil des Projektes „Gegen das Vergessen“. Seit 2008 beteiligt sich die BDP-Ortsgruppe auch am jährlichen gemeinsamen Gedenken am 9. November, dem Jahrestag der Reichsprogromnacht. Dort erinnern die Bürger_innen mit Reden und Musikbeiträgen an jene Nacht, in der Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte demoliert und viele Jüd_innen Opfer von Gewalt wurden – auch in Groß-Umstadt. Des Weiteren fanden im Rahmen des Projektes Gedenkstättenfahrten in die ehemaligen Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Mauthausen (bei Linz, Österreich) statt. Auch Filmvorführungen sowie das Engagement für eine Ausstellung in der im Hessenpark wieder aufgebauten Synagoge von Groß-Umstadt waren Teil des Engagements des BDP.

Seinen Abschluss fand das Projekt schließlich 2015 in der Veröffentlichung einer Broschüre mit vielen Informationen, Fotos und Dokumenten zum Projekt so wie einem Stadtplan und einer Liste aller verlegten Stolpersteine. Obwohl es vor zwei Jahren offiziell beendet wurde, lebt die Idee hinter „Gegen das Vergessen“ weiter und prägt weiterhin die Arbeit des BDP Groß-Umstadt. Noch immer findet jährlich ein gemeinsames Gedenken am 9. November statt, für das im Vorfeld im Rahmen einer Stolperstein-Reinigungsaktion geworben wird. Viele der Steine haben auch Pat_innen, die anfangs die Kosten für die Verlegung übernommen hatten und sich nun um die Reinigung kümmern. So wird sichergestellt, dass die 26 Namen auch in den nächsten Jahren noch lesbar sein und nicht in Vergessenheit geraten werden.

Von Charlie H.