Statement zu Ereignissen in Chemnitz

Stellungnahme des Bundesvorstandes

 

Statement des Bundesvorstandes zu den Ereignissen in Chemnitz seit Ende August 2018

 

In der Nacht zum Sonntag, den 26. August 2018 wurde in Chemnitz Daniel H. auf offener Straße erstochen. Wir möchten an dieser Stelle seinen Freund*innen und Familie unser Beileid ausdrücken. Wir sind aber auch schockiert, zu welcher Situation diese Tat in Chemnitz geführt hat und dass diese Stellungnahme überhaupt nötig ist.

Die Besonderheit gegenüber anderen Mordfällen ist hier nicht die Tatsache des Totschlags an sich, sondern dass die Nationalität der tatverdächtigen Personen zum Anlass für eine rassistische Kampagne und rechte Gewalt genommen wird. Hätte eine weiße, deutsche Person zugestochen, würde heute kaum jemand Daniel H.'s Namen kennen. Dass es den Rechten nicht um Trauer geht, wird anhand ihrer menschenverachtenden Aussagen und rassistischen Gewalt an Leuten, welche nicht in ihr Weltbild passen, deutlich.

Der Tod von Daniel H. wurde auf der Stelle instrumentalisiert und führte dazu, dass im Stadtgebiet von Chemnitz rechtsoffene Anwohner*innen, Nazis aus ganz Deutschland und rechte Politiker*innen binnen weniger Stunden zu einer der größten rechten Demonstrationen zusammen kamen. Die Berichterstattung über den Totschlag an Daniel H. hätte kaum verwirrender sein können. Von 1 bis 3 Toten war v.a. in rechtspopulistischen Medien die Rede. Ob dem Ganzen ein Streit um Zigaretten, sexuelle Belästigung oder sonstiges vorausgingen, wurde wild spekuliert und als "Nachrichten" dargestellt. Im Zuge von Demonstrationen kam es zu Szenen, in denen Menschen aufgrund von ihrem Aussehen gejagt und bedroht werden. Die ganze Stadt glich einer "National Befreiten Zone", welche weder durch die Polizei noch durch Politiker*innen unterbunden worden ist. In diesem Fall standen nicht ausreichend Polizeikräfte zur Verfügung, während das bspw. im Hambacher Forst problemlos möglich ist. Es wurde damit eine Grenze überschritten!

Anstatt zu trauern, anstatt zu Gedenken, wird die ganze „Gruppe der Geflüchteten“ in Sippenhaft genommen: Menschen dieser konstruierten Gruppe werden auf offener Straße gejagt, der Frust wird abgeladen, indem linke Gegendemonstrant*innen mit Flaschen beworfen werden, Menschen können nicht mehr vor die Tür gehen, weil sie Angst haben. Das gefühlte Problem vieler Rechter wird zum realen Problem von sogenannten „Ausländer*innen“, Linken oder auch Journalist*innen. Diese Menschen haben dann kein Recht mehr, sich zu äußern oder auch nur die Straße zu betreten. Hierfür gibt es nur ein Wort und das ist nicht Trauer oder Besorgnis, sondern schlichtweg Faschismus.

Jede Person, die sich in eine Gruppe stellt, in der Hitlergrüße gezeigt werden und jede Person, die applaudiert oder es verharmlost, wenn Menschen gejagt werden, macht sich mitverantwortlich an dieser rassistischen Hetze. Das erinnert uns allzu sehr an die Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen in den 1990er Jahren.

Die Bedrohung kommt klar von rechts! Die politisch-gesellschaftlichen Diskussionen sind allzu sehr durch das rassistische Narrativ von Rechts bestimmt. Dies zeigt auch das Politbarometer des ZDF vom 31:08.20181: 76 Prozent der Deutschen nehmen eine große Bedrohung der Demokratie wahr. Aber nicht etwa durch Geflüchtete, sondern durch Rechtsextreme.

Wir haben in Chemnitz gesehen, wie sich Nazis und andere Rassist*innen die Stadt zu eigen gemacht, Menschen gejagt und eingeschüchtert haben. Ihr rechtes Gedankengut sieht keine Pressefreiheit, keine Menschenrechte für alle und keine demokratische Mitbestimmung vor. Die Demokratie muss daher aktiv verteidigt werden.

Als interkultureller Jugendverband kommen unter unserem Dach unterschiedlichste Menschen zusammen, egal welcher Hautfarbe, Herkunft, Sexualität oder körperlicher/kognitiver/mentaler Verfassung zusammen. Wir setzen uns für Menschenrechte und Integration, Weltoffenheit, Mitbestimmung und Gleichberechtigung ein!

Deswegen rufen wir alle Aktiven, alle Bunten und alle, die weiterhin für eine freie Welt einstehen, dazu auf, sich stets und gerade jetzt solidarisch mit den am stärksten Betroffenen zu zeigen, nämlich den Menschen, welche nicht in das Weltbild der Nazis und Rassist*innen passen. Wir brauchen nicht mehr Sicherheit für die sogenannten „besorgten Bürger*innen“ - wir brauchen mehr Sicherheit für die Menschen, die sich nicht mehr auf die Straße trauen, weil sie von weißen Rassist*innen gejagt, angepöbelt oder abwertend behandelt werden.

Zeigt euer Gesicht, positioniert euch und geht auf die Straße, um für die Menschenrechte und die Demokratie einzustehen.

Lernen wir aus der Geschichte!

Euer BDP Bundesvorstand

Mike, Michelle, Tabea, Ruben

 

Quellen:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/chemnitz-wie-die-polizei-eine-stadt-den-rechten-ueberliess-a-1225238.html

https://wize.life/themen/fahndung/80933/chemnitz-2-tote-und-28-messerstiche---gezielte-falschmeldungen-im-internet

https://video.vice.com/de/video/chaos-in-chemnitz/5b8688a5be407716cd06a549?ref=vice

https://www.sueddeutsche.de/politik/toedliche-messerstecherei-in-chemnitz-berichte-mutmasslicher-taeter-sollte-abgeschoben-werden-1.4111676

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https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_84355496/toetungsdelikt-in-chemnitz-mutmasslicher-haftbefehl-im-netz-geleakt-.html

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-chef-gauland-nennt-krawalle-in-chemnitz-selbstverteidigung-15761753.html

https://www.focus.de/politik/deutschland/haftbefehl-landete-im-netz-totschlag-in-chemnitz-was-wir-ueber-tatverdaechtige-und-opfer-daniel-h-wissen_id_9495676.html

https://www.mdr.de/sachsen/chemnitz/chemnitz-stollberg/chronologie-chemnitz-messerstecherei-demo-ausschreitungen-100.html

1https://www.zdf.de/politik/politbarometer/mehrheit-in-sorge-um-demokratie-100.html

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