Queere Geschichte(n) schreiben
Queere Geschichte(n) schreiben
Utopie bedeutet auch, die Gegenwart selbst mitzugestalten. Deshalb präsentieren wir euch von nun an in den nächsten Ausgaben ganz persönliche Empfehlungen von Menschen im BDP, die mit uns ihre Lieblingsfunde teilen. Die hier vorgestellten queeren Künstler*innen können dir dabei helfen, dich weniger allein zu fühlen oder selbst deine kreative Stimme zu erheben.
Und wer inspiriert dich? Schreib uns deine persönlichen Empfehlungen an blatt [at] bdp.org (blatt[at]bdp[dot]org). Wir zählen auf dich und freuen uns über deine Einsendung.
Dorian Electra
Ikonisch, experimentelle Töne, ausgefallene Kostüme, zerschmetterte Flaschen, intensive Blicke, ein ein-Strich-Schnauzer und viel Gefühl – das ist Dorian. Hat they früher noch in quietschbunten Videos über die wissenschaftliche Historie der Klitoris gesungen („Clitopia“), wurde es schriller und glitzernder (z.B. „Flamboyant“) und spätestens jetzt sind wir in der grün-schwarzen Unterwelt elektronischer Musik eingetaucht (z.B. „my Agenda“). Dorian reißt uns mit in eine ganz persönliche, bunte, spannende Welt der Queerness. They erzeugt eine Lust auf Leben, eine Neugierde zu entdecken, den Mut, sich (musikalisch und persönlich) auszuleben und einen Sound, der uns in fremde Welten treibt. Wer Dorian noch nicht kennt sollte den nächsten Wlan-Spot nutzen und sich durchklicken. Mein persönlicher Tipp: Fangt mit „Flamboyant“ an, gönnt euch „Adam and Steve“ und geht dann zu „Man to man“ (Content-note: Besonders im letzten Video sind Kampfszenen erhalten, es wird Kunstblut gezeigt).
von Carla Weena
Domo Wilson
Domo hat mich mit ihrem Song „I wanna be me“ nachhaltig beeinflusst. Noch heute, mehr als 2 Jahre später, steht es regelmäßig auf meiner To-hear-Liste (ein Dank geht an das Team des queeren Filmfest in Rostock, die mein Leben mit dem Zeigen dieses 3:56 langen Videos bereichert haben). Ein Schauer läuft mir den Rücken runter und Gänsehaut breitet sich auf meiner Haut aus. Domo greift Vorurteile gegen nicht-heterosexuelle Frauen auf, zitiert sie … und fängt uns auf. Dieses Lied ist ein Mittelfinger an Homophobie, eine fest aufgesetzte Krone für stolze, lesbische und bisexuelle Frauen, Argumentationstraining und nicht zuletzt ein Anstubser, eigene Vorurteile zu reflektieren und zu verstehen, wie heteronormativ geprägt wir aufwachsen.
von Carla Weena
Michael Buchinger
Michael Buchinger verzaubert seit vielen Jahren sein Publikum als YouTuber, Blogger, Instagramer, Kabarettist und Buchautor. In seinen regelmäßig auf YouTube erscheinenden „Hasslisten“ greift er immer wieder aktuelle Themen auf und verarbeitet diese auf unterhaltsame Weise. Neben Kochanleitungen, Fashionreviews und Let´s Plays (live übertragenen Computerspielen) produziert Michi Content der sich mit der LGBTIQ*-Szene und im speziellen mit Schwulsein beschäftigt. Hierbei gibt er den Zuschauenden immer auch recht persönliche Einblicke in sein Leben, was das Erzählte greifbar macht.
von Sophie
Car Seat Headrest
Hinter der Band steht vor allem Will Toledo, der Car Seat Headrest 2010 als Solokünstler aufgebaut hat. Seit der Gründung hat Car Seat Headrest beeindruckenderweise 12 Alben veröffentlicht und steht seit 2015 bei einem Indie-Label unter Vertrag. Die Musikrichtung könnte irgendwo zwischen Lofi-Pop und Indie-Rock liegen.
In den Liedern geht es hauptsächlich ums Erwachsenwerden und mentale Instabilität, wie beispielsweise in dem Lied "Beach-Life-In-Death", in dem Will über Depressionen und sein Coming Out singt. Dadurch, dass Will Toledo sich sehr verletzlich zeigt und es schafft, seinen Struggle und seine Gefühle auf eine nachvollziehbare Art in seine Musik einfließen zu lassen, ist es hilfreich, schön und schmerzhaft zugleich, sich mit der Musik zu identifizieren.
Lieblingsalben: Twin Fantasy und Teens Of Denial
von Anonym
G.L.O.S.S
G.L.O.S.S (Girls living outside society's shit) waren eine trans-feministische Hardcore Punk Band aus den USA. Sie bezeichneten sich selber als Reaktion auf Cisgender dominierte Popkultur, Pazifismus, die Gesellschaft und die Hardcoreszene.
2016, nur zwei Jahre nach der Gründung, lösten G.L.O.S.S. sich auf. Die Mitglieder veröffentlichten ein Statement, in dem sie erklärten, dass die wachsende Bekanntheit der Band sie zunehmend unter Druck setze und sich negativ auf ihre Gesundheit und persönliche Lebensgestaltung auswirke.
Ihr Album "Trans Day Of Revenge" wurde einen Tag nach dem Anschlag auf einen queeren Nachtclub in Orlando am 12. Juni 2016 veröffentlicht.
Zu merken, dass die eigene Wut mit der der Band verschmilzt und sich durch die Musik tragen zu lassen, ist super empowernd.
von Anonym
Cistem Failure
Die Band bezieht sich schon in ihrem Namen auf queerfeministische Kämpfe. Ihre Musik beschreiben sie selbst als „rowdy political banjo folkpunk“ und treffen es damit gut auf den Punkt. Bisher touren sie vor allem durch Deutschland, Frankreich, die Niederlanden und England und sind zu Gast bei feministischen Projekten. Cistem Failure setzen sich für die Sichtbarkeit queerer Menschen und die Öffnung der Musikszene(n) für nonbinary, Transpersonen und Frauen ein. Songs wie Riots Not Diets oder Stick Together wärmen mir das Herz.
von Tabea
Rebecca Sugar
Am ehesten kennen die meisten von uns sie/they wohl als die Macherin der Zeichentrickserie Steven Universe. Rebecca begann als Drehbuchautorin und Storyboard-Zeichnerin der Serie Adventure Time und schuf mit Steven Universe das erste von Cartoon Network ausgestrahlte Projekt, das nicht von einem Mann ins Leben gerufen wurde. Steven Universe beinhaltet feministische Themen, Fragen um Identität und Beziehungen und thematisiert ein breites Spektrum von Familienbildern.
Was vielen bisher unbekannt sein könnte ist, dass Rebecca Sugar auch Komponistin ist und maßgeblich den Soundtrack der Serie mitgestaltet. Sie/they spielt Gitarre, Ukulele, schreibt Lieder und singt. Rebecca beschreibt sich selbst als bisexuelle nonbinary Frau, und möchte mit ihren Projekten jungen Menschen einen positiven Bezug zu ihren eigenen diversen Identitäten ermöglichen.
von Tabea
Alok Vaid-Menon
"Beauty is no longer in the Eye of the Beholder. Beauty is looking like yourself."
Alok Vaid-Menon (they/them) ist ein*e gender-nonkonforme*r Schriftsteller*in und Performancekünstler*in.
Ich habe Alok das erste mal als Teil von Dark Matter gesehen. Zusammen mit Jonani Balasubramanian ist Alok als poetry performance Duo Dark Matter auf der ganzen Welt aufgetreten. Die Texte des Duos beschäftigen sich mit ihren (Alltags-) Erfahrungen als queere Menschen of Color und fordern gleichzeitig eine größere Sichtbarmachung eben solcher Perspektiven ein. So verbindet Alok in their Arbeiten Aktivismus mit Kunst. Als ein*e mixed-media Künstler*in nutzt Alok Dichtung, Prosa, Comedy, Performance, Modedesign und Portraitmalerei, um Themen von Gender, race, Klasse, Trauma, Zugehörigkeit und des Menschlichen zu untersuchen. Gerade diese Vielfältigkeit macht Aloks Arbeit aus. Ihr findet they auf Blogs und in Videos, auf Instagram, live auf Bühnen, und in Buchläden.
von Blau
Mary Wander
Mary Wander (they/them) macht Musik, die von warmen Abenden auf der Veranda oder am Lagerfeuer erzählen zu scheint. Der Sound liegt dabei zwischen Akustikgitarre, A Capella, und von Zeit zu Zeit auch klassischerem Folkpunk/Pop Punk. In den Geschichten, die Mary erzählt, liegen großartige Mitsing-Zeilen und existenzielle Fragen ganz nah beieinander. Sie handeln von Beziehungen, Träumen, dem Leben auf Tour in der DIY Punk Szene der USA, dem Finden des eigenen Wegs aus dem Drogenmissbrauch, und davon „in einem gegenderten Körper in einer gegenderten Welt zu leben“.
Mary Wander zu hören ist ein bisschen wie Lieder singen mit Freund*innen (und manchmal auch genau so schief).
von Anonym
Lia Şahin
Ich glaube, Lia Şahin muss mensch live erleben.
Angefangen hat sie mit dem Beatboxen: Schwere Beats und krasse Energie. Diese Leidenschaft gibt sie gerne weiter, zum Beispiel als Beatbox Coach und Kreative Leiterin beim Rap for Refugees e.V. in Hamburg. Als Technik-Nerd produziert Lia mittlerweile auch ihren eigenen, bissigen Rap, den sie über die Loop Station mit Beatbox-Beats und elektronischen Elementen füttert.
Sie ist als freischaffende Künstlerin zwischen Open Mics, Workshops, feministischen Veranstaltungen und mittlerweile auch dem Theater unterwegs.
Lia wird meist vorgestellt als "die übliche beatboxende rothaarige deutsche transgender Frau mit türkischem Migrationsvordergrund". Am liebsten bezeichnet sie sich selbst aber als "Hiphopperin".
von Anonym