Projekt - Kinderkiste Babenhausen

 

von Alexandra Welsch



Es war einmal ein acht Jahre alter Junge,

 

den brachte seine Mutter in die BDP-Kinderkiste, weil ihn keiner sonst wollte. Er galt als unbeschulbar und trug viel Aggression in sich. Doch eigentlich brauchte er Struktur, waren sich die Erzieher_innen in dem Hort sicher – und vereinbarten mit ihm klare Regeln. Zum Beispiel: Wenn er Wut in sich aufkommen spürt, soll er ein Signalwort sagen und sich sammeln. Er wählte das Wort »Feuerwehr«. Und er benutzte es. Das war für ihn ein wahnsinniger Fortschritt. Und wenn er so weitermachte, würde er auch das Ziel erreichen, das zu seinem Eintritt formuliert wurde: Im Sommer mit auf das Zeltlager fahren. Petra Mohrhardt erzählt diese Episode aus ihrem Berufsalltag zurückgelehnt in einem Sessel im Büro, während draußen Kinder den Flur entlangtoben, Türen zuschlagen, schreien und lachen. »für uns ist es wichtig, um jedes einzelne kind ein netzwerk zu spinnen«, sagt die Leiterin der Babenhäuser Kinderkiste. »wenn ein kind auffällig ist, setzen wir uns zusammen und legen machbare ziele fest.« Erzieher_innen, Schule, Behörden, Eltern und auch die Kinder selbst – sie alle werden beteiligt. Und dieser ganzheitliche Ansatz kommt auch den Nicht-Problemkindern zugute. Ob bei der Kinderkonferenz oder in Mediationsrunden: »Das Demokratieverständnis ist uns sehr wichtig. Hier gibt es nur ein Wir.«

 

Inklusion wird in der Kinderkiste gelebt,

lange bevor das Schlagwort durch die Republik zu geistern begann. Die integrative Heilpädagogin Mohrhardt füllt den Begriff so: »Es geht darum, für jeden die besten Bedingungen schaffen, damit lernen möglich wird.« Aufgabe sei es, den Menschen individuell zu begleiten. So setzt man auch Schulassistent_innen ein. Doch im Gegensatz zu anderswo, handelt es sich dabei immer um ausgebildete Erzieher_innen. Dieser Ansatz hat Tradition. Als Mohrhardt mit Hilfe ihres Mannes und 13 weiteren Eltern die Einrichtung 1994 mangels Betreuungsplätzen für ihre Kinder gründete unter dem Finanzdach der Betreuenden Grundschule, hätten laut den Statuten des Kultusministerium Ungelernte eingesetzt werden können. Für Mohrhardt ein Unding: »Wir haben von Anfang an gesagt: wir

machen das nur mit Fachleuten.« Ein Aufbewahrungsort wollte man nie sein. Und dieser konsequent professionelle Anspruch hat sich bis heute bewährt.

 

Die Kinderkiste bietet mittlerweile Nachmittagsbetreuung für Kinder an drei örtlichen Grundschulen an, erst voriges Jahr wurde die Anzahl der Plätze um 25 Prozent auf nunmehr 90 aufgestockt. »viele erschreckt, dass wir 90 Kinder haben«, berichtet Mohrhardt, selbst dreifache Mutter. »aber wir arbeiten kindzentriert und projektorientiert.« Da gehe das gut. Recht viel Raum hierfür bietet das ehemalige

Rektorenhaus der benachbarten Schule, in dem die Kinderkiste seit 1997 zu finden ist. Vor allem im großen Garten ist ordentlich Platz zum Toben. Deswegen ist aller Rasen dort auch schon lange abgelaufen. Statt dessen winken selbst gebaute Holzhütten, Kletterbäume und Matschgruben.

»so’n bisschen BDP muss ja schon sein«, kommentiert Petra Mohrhardt den Abenteuerspielplatz-Charme mit einem heiteren Lächeln. Und das man weiß, wie eine Jurte aufgebaut wird, gehöre hier zum Pflichtprogramm. Und wenn der Achtjährige weiter so erfolgreich gegen seine Wut angekämpft hat, dann wird auch er daran Freude beim Zeltlager haben.

 

 

Grafik: Atelier Hurra