Musik für alle!
Musik für alle!
Ein Rückblick auf das Singetreffen 2016
Wenn ich etwas beschreiben will, suche ich zuerst nach Adjektiven. Also das Singetreffen ist.... ja, genau, viel zu viel für meinen Artikel. Deshalb zitiere ich an dieser Stelle die Internetseite des BDP MTK (Main-Taunus Kreis). Das Singetreffen ist „fantastisch, selbstorganisiert, interkulturell, musikalisch, nachhaltig, nachhaltend, freundschaftlich, multilingual und künstlerisch“. Wenn man die Teilnehmenden fragt, ist es „ein Haufen Menschen“, „sphärisch“, „Rhythmus“ und „Leuchten bei Nacht“. „Man lernt neue Dinge kennen und damit auch sich selbst. Immer wieder findet man Dinge an sich selbst und an anderen die einem vorher nicht aufgefallen sind und versucht sie zu verstehen.“ „Es tanzt und atmet und wir sind alle teil.“ Und frei.
Ich habe mich bisher auf jedem Singetreffen, das ich besucht habe (erst zwei!) getraut, stets das zu tun, was mein inneres Kreativmonster von mir verlangte. Denn wenn dich auf dem Singetreffen jemand anstarrt, dann bestimmt, weil diese Person sich über dein Mitmachen freut. Denn im Idealfall machen alle mit.
Das Singetreffen beginnt, wenn über den Tag verteilt unterschiedlichste, strahlend lächelnde Menschen eintreffen. Und auf einmal umarmen und begrüßen sich überall Leute und einige von ihnen fangen vor Freude an zu hüpfen. Danach werden Rucksäcke und Instrumente durch die Gegend getragen, Zelte aufgebaut und die Zimmer in den Häusern bezogen.
Abends findet dann eine Soli-Bar statt. Es gibt Getränke und Snacks zu kaufen – der Gewinn fließt in die Kasse des nächsten Singetreffens. Mit diesem Geld wird Menschen von weiter weg ermöglicht, die Reise zu finanzieren. Währenddessen wird auf der so genannten Club-Bühne das Singetreffen offiziell eröffnet. Der Club ist eine ehemalige Fachwerkscheune die von vielen Engagierten mit Scheinwerfern, Mikrofonen, Lautsprechern und Mischpulten ausgestattet wird. Allein dieser Teil der Vorbereitung nimmt mehrere Tage in Anspruch. Am ersten Abend singt das Orga-Team ein erstes Lied und danach ist die Bühne offen für alle, die sich trauen. Und das werden von Tag zu Tag immer mehr. Am nächsten Morgen gibt es einen interregionalen Brunch. Wer möchte, kann eine Speise zubereiten und auf das große Buffet stellen. Nach einem Countdown stürzen sich alle auf die Köstlichkeiten aus der ganzen Welt. In den folgenden Tagen finden von früh bis spät Workshops statt. Es wird natürlich gesungen, aber auch viel getanzt, (Theater) gespielt, gebastelt, improvisiert, massiert, meditiert, ausprobiert und herumgealbert. Da kommen schonmal über 40 Workshops zusammen. Die meisten davon finden mehrmals statt. Jede*r darf etwas anbieten und jede*r mitmachen.
Natürlich gestalten alle ihre Zeit so, wie sie möchten. Ein paar hüpfen energiegeladen von einem Workshop zum nächsten, während andere sich eine Auszeit im Schatten gönnen oder durch die Spargel- und Erdbeerfelder schlendern. Neuigkeiten werden am Infopunkt im Hof ausgetauscht. Meist halten sich dort genügend Menschen aus dem Orga-Team oder langjährig Erfahrene auf, so dass für jedes Problem eine Lösung gefunden wird. Immerhin gibt es das Singetreffen schon seit über 25 Jahren! Jeder Tag auf dem Singetreffen ist eine eigene kleine Reise. Von Workshop zu Workshop und von Mensch zu Mensch. Du singst, lernst und staunst, unterhältst dich mit Menschen, liegst nichts-tuend im Gras und bist am Ende des Tages vollkommen satt und zufrieden. Und wenn du denkst, du kannst nicht mehr, sitzt du zum Schluss doch noch stundenlang am Lagerfeuer und bereust es kein bisschen.
Nicht wenige sind über Jahre in diese offene Zusammenkunft hineingewachsen und können großartige Geschichten erzählen. Aber langweilig wird es auch nach Jahren und Jahrzehnten nicht. „Es ist für mich jedes Mal etwas neues, auch wenn ich schon so oft da war.“ Jedes Jahr sind Menschen dort, die scheinbar fremd sind; und vielleicht bist du am Anfang schüchtern. Doch die Atmosphäre schafft es, die Neugier für das Unbekannte und Neue anzufachen. Und ehe du dich versiehst, sitzt du mit vielen Menschen in einem Kreis und lernst in einem Workshop ein ukrainisches Lied zu singen. Deine Gedanken füllen sich mit neuen Kulturen, Ideen und Philosophien. Etliche Freundschaften sind aus dem Singetreffen heraus entstanden und besonders manche der interkulturellen Gäste (z.B. aus Polen, Frankreich, Ukraine, Belarus, Russland, Schweiz, Tunesien, Bulgarien,...) betrachten das Singetreffen als eine Art Wiedersehen dieser großen, bunten Familie, die über viele, viele hundert Kilometer verstreut lebt.
Die beste Art und Weise, Vielfalt schätzen zu lernen, ist es, sie ganz nah zu erleben. Und genau das ist der Zauber, den du spürst, wenn du ein unbekanntes Instrument in die Hand und neue Lieder in den Mund nimmst.
Von Tabea
DAS SINGETREFFEN
Wann: Jährlich, über das lange Christi-Himmelfahrt Wochenende
Wo: in Lützensömmern (Thüringen)
Kosten: verschiedene Preise von 50€ für Workshopleiter*innen und Kinder bis 165€ für erwachsene
Verdiener*innen, die nicht im BDP sind.
Weitere Infos: mtk.bdp.org/startseite/singetreffen