Mai più la guerra! Mai più fascismo! Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Ein Reisebericht aus Reggio Emilia
Mai più la guerra! Mai più fascismo! Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!
Ein Reisebericht aus Reggio Emilia
Im September 2020, fast ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant, macht sich eine Reisegruppe des BDP Bremen endlich auf den Weg nach Italien, um dort auf den Spuren der Resistenza in den Bergen zu wandern. Sie reisen durch die Zeit, bergauf und bergab, und erfahren die Geschichten von Menschen, die einmal genau so jung waren wie sie, und sich dem Krieg und der Unterdrückung durch die Faschist*innen nicht beugen wollten.
Samstag
An einem kalten Septembertag klingelt um 5:30 Uhr mein Wecker. Etwas später treffe ich am Bremer Hauptbahnhof eine Gruppe müder, bepackter Menschen und gemeinsam machen wir uns auf die Reise nach Süden. Wir fahren mit Zügen durch die Alpen und Apfelplantagen bis nach Reggio Emilia, das im nördlichen Italien liegt. Dort ist es sommerlich warm, als wir am späten Abend unser Hostel erreichen. Wir sind die erste Reisegruppe seit Beginn der Pandemie und ernten auf der Straße neugierige Blicke.
Sonntag
Die Stadt Reggio Emilia wirkt an diesem Sonntag etwas verschlafen und es ist zu heiß, um lange draußen unterwegs zu sein. Im Istoreco, dem historischen Institut der Region, treffen wir uns mit Steffen, der uns viel über die Geschichte Italiens erzählt. Von der Monarchie, vom Faschismus und Italiens Rolle im zweiten Weltkrieg und vom Widerstand bis hin zum Ende des Krieges. Zumindest ausführlich genug, dass wir den Anschluss an das bekommen, womit wir uns auf dieser Reise beschäftigen möchten: die Resistenza. Die Resistenza war der Widerstand der Partisan*innen gegen den italienischen Faschismus und die deutschen Nazis. In meinem Notizbuch füllt sich eine Seite nach der anderen. Nach einer Mittagspause machen wir einen Stadtrundgang mit Matthias, der ebenfalls für Istoreco arbeitet und uns lustige Funkhörer mitgebracht hat. Er erzählt uns aus der Geschichte Reggio Emilias und wir können das, was wir am Vormittag gelernt haben nun mit konkreteren Geschichten, Gebäuden und Orten in Verbindung bringen. Abends gibts Pizza.
Montag
Heute heißt es wieder früh aufstehen, denn wir fahren in der Berge. Der fehlende Schlaf wird auf der Busfahrt nach Busana nachgeholt. Von dort aus wandern wir auf den Monte Ventasso, einen Berg im Apennin. Der steinige Aufstieg hats ganz schön in sich, aber ich fühle mich lebendig und die Bergluft ist erstklassig. Kurz bevor wir den Gipfel erreichen, machen wir eine ausgedehnte Mittagspause mit Picknick. Das Extragewicht zu schleppen hat sich für all das leckere Essen absolut gelohnt. Mit vollen Bäuchen liegen wir im Gras und lauschen Steffens Partisan*innengeschichten. Wenns nach mir geht müssten die Erzählungen und Fragen nie ein Ende nehmen. Früher in der Schule hätte ich bestimmt mehr Spaß am Lernen gehabt, wenn wir dabei auf Berge gestiegen wären.
Auf dem Weg nach unten kommen wir am Lago Calamone, einem Bergsee vorbei. Das Wasser ist kalt, aber reinspringen müssen wir natürlich trotzdem. Nach der siebenstündigen, anstrengenden Wanderung sitzen wir im Hotel Il Castagno und essen das berühmte Pilzrisotto. Meine Beine protestieren sogar im Sitzen und ich kann nur erahnen, mit was für einem Muskelkater ich morgen aufwachen werde.
Dienstag
Wer hätte das gedacht, am nächsten Tag steigen wir wieder auf einen Berg. Aber zuerst fahren wir mit unserem Reisebus nach Castelnovo Monti, zum Denkmal für die Frauen der Resistenza. Das Denkmal steht bei einem Kinderspielplatz und während wir im Gras sitzen und über die Frauen im Widerstand sprechen, verbringen Schüler*innen auf der Wiese ihre große Pause. Dann starten wir zu Fuß, es geht hinauf auf den Monolithen „Pietra di Bismantova“. Oben angekommen gibt es wie gestern ein großes Picknick mit Aussicht. Wir sprechen mit Steffen über die Partisan*innen, aber auch über die Arbeit des Instituts und darüber, wie junge Italiener*innen Geschichte lernen und weitergeben.
Am Fuße des Pietra di Bismantova, im Garten einer Kapelle treffen wir dann Giacomina Castagnetti, eine Zeitzeugin aus der Resistenza. Giacomina ist 94 Jahre alt und hat auf Grund der Pandemie seit vielen Monaten keine Gespräche wie dieses führen können. Wir sitzen alle super aufgeregt im Gras und lauschen, was sie uns aus ihrem Leben als Partisanin zu erzählen hat. Steffen übersetzt für uns und man merkt, wie lange die beiden sich schon kennen.
Abends fahren wir zurück nach Reggio Emilia und fallen im Hostel erschöpft ins Bett.
Mittwoch
Nach dem Frühstück fahren wir, dieses Mal mit dem Regionalzug, nach Bologna. Dort machen wir einen Zeitsprung in das Jahr 1980, in dem am 2. August bei einem Bombenanschlag auf den Bahnhof 85 Menschen getötet und über 200 Menschen verletzt wurden. Im Bahnhof treffen wir Antonella Beccaria, sie ist Journalistin und hat sich auf das Attentat spezialisiert. Antonella Beccaria berichtet, wie es dazu kommen konnte, dass der Anschlag jahrelang nicht angemessen aufgeklärt wurde und wie der italienische Geheimdienst mit seiner Vertuschungsarbeit dazu beigetragen hat.
Nach einer Mittagspause machen wir uns auf den Weg zum Centro Sociale VAG, wo wir Valerio Monteventi treffen. Valerio war in den 1970/80ern Teil der außerparlamentarischen Bewegung und spricht mit uns über seinen Aktivismus – von damals, als er so alt war wie wir jetzt sind und bis heute, wo er mit Jugendlichen arbeitet, die im Knast sitzen und an sozialen Projekten in seinem Stadteil mitwirkt. Auch er gibt uns seine Geschichte, seine Erfahrungen und ein bisschen neue Motivation mit auf den Weg.
Abends geht es mit dem Zug zurück nach Reggio Emilia.
Donnerstag
Heute fahren wir mit dem Bus nach Marzabotto und besuchen dort eine Gedenkstätte. Außerhalb von Marzabotto, rund um den Berg Monte Sole verübten im September 1944 deutsche Truppen das schlimmste Massaker an der italienischen Zivilbevölkerung. Dabei ermordeten sie rund 770 Menschen. Nachdem wir in Marzabotto die Gedenkstätte besucht haben bringt uns unser Bus auf engen Serpentinen hinauf in die Berge. Dort wandern wir entlang der ehemaligen Dörfer und Weiler. Matthias erzählt uns die Geschichten der Menschen, die sich dort ihrer Befreiung durch die Aliierten schon fast sicher gewesen waren, als sie von deutschen Soldaten überfallen, gejagt und ermordet wurden. Wir besuchen eine Ruine nach der anderen, hören von brennenden Kirchen voller Frauen, Kinder und alter Menschen – und legen Blumen nieder. Auf dem Weg nach unten schweigen viele von uns, während mir die Sonne unerbittlich den Nacken verbrennt.
Später in Reggio Emilia treffen wir uns mit Matthias und Steffen im Innenhof des Instituts und machen eine gemeinsame Abschlussrunde. Wir sind alle dankbar dafür, dass die Reise dieses Jahr nun doch noch möglich war. Kein Buch und kein Onlineseminar kann das ersetzen, was wir in den vergangenen Tagen gelernt und erlebt haben.
Freitag
Wieder klingelt um 5 Uhr mein Wecker, ein letztes Mal genieße ich die warme Morgenluft, während wir alle gemeinsam zum Bahnhof laufen und uns dann auf den Weg zurück nach Norden machen. 15 Stunden Zugfahrt kriegen wir rum mit Kartenspielen, Schlafen, Fotos anschauen, Lesen und Quatschen. Zuhause angekommen bin ich froh, diese Erfahrung mit tollen Menschen geteilt zu haben.
Von Tabea