Kommentar zur Wahl
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BLATT 1-2017 S. 12 | EINBLICK
Soll ich wählen gehen und wenn ja, wie viele?
Kommentar des Bundesvorstands zur Bundestagswahl
Am 24. September diesen Jahres werden in sämtlichen Grundschulen, Universitäten, Kirchen und anderen Gebäuden, die entweder Kommunen, Bund oder Ländern gehören Wahlurnen stehen. Zum 18. Mal wird entschieden werden, wer für die nächsten vier Jahre im Bundestag sitzen wird und wer nicht. Als im Jahr 1949, dem Gründungsjahr der Bundesrepublik das erste Mal gewählt wurde, war alles noch einfach. Arbeiter*innen hatten die SPD zu wählen, wer Angst vor der „Roten Gefahr“ hatte, wählte die CDU. Konrad Adenauer wurde Bundeskanzler.
2017 sieht die Welt ein wenig komplexer aus. Wir haben zwar nur noch einen deutschen Staat, dafür mehr Parteien und die repräsentative Demokratie steckt in einer Krise, die „Pegida“ und die AfD geboren hat. Wir haben im Bundesvorstand einen Nachmittag darüber diskutiert, was genau unsere Position zur Bundestagswahl sein könnte. Zugebenermaßen hatten wir leckeren Kuchen und guten Kaffee. Aber anstrengend war die Diskussion trotz allem.
Die Frage, wo das Kreuzchen gesetzt werden soll, scheint mittlerweile fast unmöglich zu beantworten. Angela Merkel wird vermutlich als die Kanzlerin eingehen, die den Atom-Ausstieg beschlossem hat. Grün mitgregierte Länder schieben Geflüchtete ab. Der CDU-Innenminister Thomas de Maizière spricht von „Leitkultur“ (Propagandabegriffe sind in Anführungsstrichen zu setzen). Sahra Wagenknecht aus der Linken fordert die Abschaffung des Euro. Der als „Gottkanzler“ verkaufte Martin Schulz wird vermutlich auch nicht die SPD und mit ihr die Welt retten. Die AfD ist die AfD und wer erinnert sich noch an diese liberale Splitterpartei, die bei der letzten Wahl den Einzug in den Bundestag verpasst hat, jetzt allerdings wieder im Nordrhein-Westfälischen Landtag vertreten ist?
Aber nun genug der Polemik. Eine wichtige Erkenntnis zur Bundestagswahl ist, dass eine Einzelstimme nichts wirklich entscheidet oder verändert. Auch ist der Gedankengang „Ich habe doch Partei X gewählt, die für Y steht. Y wurde nicht umgesetzt, also muss das System korrupt sein.“ unsinnig. Es wird ein repräsentatives Gremium gewählt und „jedes Mitglied des Bundestages folgt bei Reden, Handlungen, Abstimmungen und Wahlen seiner Überzeugung und seinem Gewissen“. So steht es in der Geschäftsordnung des deutschen Bundestages.
Die Wahl an sich ist nur ein kleines Rad in unserer politischen Kultur. Zur Veränderung der Verhältnisse gehört es, sich zu organisieren und zu versuchen, gemeinsame Interessen in Prozesse einzubringen und einzufordern, die auf der Entscheidungsebene im Ortsrat von Wiedenborstel beginnen und bei Änderung des Grundgesetzes durch den Bundestag enden. Aus diesen Gedanken heraus ergibt sich, die logische Konsequenz, dass jede*r sich individuell informieren und anschauen muss, welche Parteien und Kandidat*innen ihren*seinen persönlichen Präferenzen am weitesten entsprechen. Hier hat sich der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung als gutes Instrument bewährt.
Als zweite Möglichkeit ist die oben genannte Partizipation und Einflussnahme möglich. An dieser Stelle können auch Jugendverbände wie der BDP einen wichtigen Beitrag leisten. Durch den BDP haben wir eine Plattform, auf der wir Menschen treffen können, mit denen wir zu Themen, die wir als jugendpolitisch wichtig erachten, wie zum Beispiel den Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, Aufklärung über Sexualität und Gender oder ganz konkret auch die Finanzierung von Jugendverbänden eine gemeinsame Haltung finden und diese vertreten können. Eine Partizipationsmöglichkeit für Jugendliche ist auch die U18-Wahl, die dieses Jahr am 15. September, also neun Tage vor der Bundestagswahl vom Deutschen Bundesjugendring durchgeführt wird. Kinder und Jugendliche können sich bei der U18-Wahl informieren und eine Quasi-Wahl treffen, welche Partei sie wählen würden. Es ist eine gute Möglichkeit für nicht wahlberechtigte Kinder und Jugendliche ihre Stimme abzugeben und zu sehen, wie weit eventuell unsere Jugendinteressen vom Rest der Gesellschaft abweichen - wie wenig sie also de fact vertreten sind.
Aus dem Problem, dass radikale Parteien besser dazu in der Lage sind, ihre Mitglieder und Anhänger*innen zur Wahl zu mobilisieren, ergibt sich zudem noch die Notwendigkeit, das Wahlrecht wahrzunehmen und den prozentualen Anteil menschenverachtender Parteien möglichst klein zu halten. Zusätzlich gilt, dass nur Parteien, die die 5%-Hürde knacken, zur Reduktion oder Verhinderung von AfD-Sitzen im Bundestag beitragen.
Am Emde des Kuchens und des Nachmittags wissen wir: Wir gehen auf jeden Fall wählen, ob U, oder Ü18,wir wissen wen wir nicht wählen, aber wir wissen auch was sonst noch zu tun ist. Um wirklich etwas gegen die rechte Hetze und Gewalt in Deutschland zu tun, müssen wir uns weiter organisieren und konkrete Projekte vor Ort planen. Sei es der Support von Geflüchteten, das Promoten von Offenheit und Queerness, oder die Demo gegen Rechts. Im BDP und überall.
Wir sehen uns,
euer BDP Bundesvorstand
Michelle, Ruben, Tabea und Tahar