Feminismus
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„Oh nein, ein Feminazi!"
Das schlechte Image des Feminismus
Es ist leider kein neues Phänomen, dass es einigen Menschen sauer aufstößt, wenn diskriminierte Gruppen sich gegen Unterdrückung wehren und beginnen, eine faire Behandlung zu fordern. Engagement für Gleichberechtigung wird dann teilweise falsch dargestellt, heruntergespielt, lächerlich gemacht oder für unnötig befunden, meist mit völlig haltlosen Argumenten. Dabei stellt sich oft die Frage, wieso Menschen sich von Bewegungen angegriffen fühlt, die nicht darauf abzielen, ihre Rechte einzuschränken, sondern lediglich die Rechte anderer zu stärken und auf ein gleiches Niveau zu bringen.
Obwohl der Feminismus als Bewegung und Überzeugung nun schon seit vielen Jahren existiert, sieht auch er sich noch häufig solcher Kritik ausgesetzt. Neben dem grundsätzlichen Sträuben gegen den Verlust alter Rollenbilder und des „männlichen Alpha-Status“ erlebe ich – nicht nur von Männern – vor allem Kritik, die von einem falschen Bild des Feminismus herzurühren scheint. Eines der anschaulichsten Beispiele für das „schlechte Image“ des Feminismus unter vielen Menschen ist für mich der Begriff „Feminazi“.
Die Assoziation, die erzeugt werden soll, ist deutlich: Die Nationalsozialist_innen waren dafür bekannt Menschen anderen Glaubens, anderer Herkunft, anderer sexueller Orientierung oder anderer politischer Meinung zu benachteiligen, zu verfolgen, einzusperren und sogar systematisch zu ermorden. Die Fusion der Begriffe Feminist_in und Nazi weckt einen Eindruck, der den Grundprinzipien des Feminismus widerspricht. Er lässt vermuten, Feminist_innen würde nicht nur für die Rechte von Frauen kämpfen sondern auch gleichzeitig die der Männer beschneiden und ihre eigenen Interessen rücksichtslos und notfalls mit Gewalt durchsetzen wollen.
Erst neulich las ich beispielsweise den Kommentar eines Facebook-Nutzers, der in einer Argumentation mit einer Feministin schrieb: "Oh nein, ein Feminazi! Jetzt habe ich als Mann ja ohnehin keine Chance mehr." Aussagen wie diese sind in zweierlei Hinsicht für Feminist_innen enttäuschend und beleidigend:
Zum einen erfährt jeder Mensch, der sich auch nur fünf Minuten mit Recherchen zum Thema Feminismus befasst, recht schnell, dass Feminismus (trotz des möglicherweise missverständlichen Namens) vor allem für eines steht: Gleichberechtigung. Feminist_innen fordern in keinem Fall mehr Rechte für Frauen als für andere Personen, sie wollen lediglich bewirken, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben und gleich behandelt werden, unabhängig von ihrem Geschlecht. Genau deshalb würde es dem Feminismus von Grund auf widersprechen, Männern ein Recht auf eine eigene Meinung abzusprechen oder sonst irgendwie zu benachteiligen, nur weil sie Männer sind.
Die Unterstellung, Feminist_innen würden so etwas tun, lässt zum anderen außer Acht, dass Feminismus sich keinesfalls auf die Rechte der Frauen beschränkt. Eine Gleichberechtigung aller Geschlechter bedeutet, sich genau wie für Frauen auch für Transgender-Personen und für Männer einzusetzen. Ein_e wahre_r Feminist_in würde beispielsweise auch fordern, dass es auch Männern erleichtert wird, für eine Elternzeit auf der Arbeit beurlaubt zu werden, ohne beim Wiedereinstieg in den Job Nachteile zu erfahren.
Woher kommt dieser negative, aggressive und vor allem falsche Eindruck, den viele Menschen noch vom Feminismus zu haben scheinen? Diese Frage stellt sich mir immer wieder, wenn ich ignorante Kommentare wie den oben beschriebenen sehe. Mal mögen sie einfach nur provokativ gemeint sein, mal habe ich aber auch den Eindruck, dass die Menschen das Konzept einer so wichtigen Bewegung nicht verstanden und auch kein Interesse daran haben, sich wirklich damit zu befassen. Und solche Situationen machen mich traurig, weil mir nicht klar ist, wie eine Bewegung, die sich für die Rechte aller Menschen einsetzt, so falsch verstanden und schlecht gemacht werden kann.
Eine mögliche Erklärung ist hier, dass einzelne Personen, die sich als Feminist_innen sehen und ihre Überzeugungen mit recht aggressiven Mitteln und Aussagen verfolgen, als Repräsentation aller Feminist_innen gesehen werden und vom Einzelfall auf die Gesamtheit verallgemeinert wird. Ich will keinesfalls behaupten, dass es nicht auch Frauen oder Transgenderpersonen gäbe, die eine Abneigung gegen Männer hegen und ihre eigenen Interessen über die von Männern stellen. Genauso gibt es schließlich auch Männer, die so über andere Geschlechter denken, und generell gibt es Personen, die andere aus anderen Gründen benachteiligen. Wichtig ist nur zu bemerken, dass Menschen – egal ob sie sich so bezeichnen – keine Feminist_innen sind, wenn sie nicht mehr für Gleichberechtigung sondern für die Bevorzugung eines bzw. Benachteiligung eines anderen Geschlechts eintreten. Die Taten und Überzeugungen von Einzelpersonen mit den Überzeugungen hinter einer ganzen Gruppe/Bewegung gleichzusetzen, ist schlichtweg ein unüberlegter Fehlschluss, der einen falschen Eindruck vom Feminismus erweckt.
Natürlich ist Kritik an Konzepten, Überzeugungen und Bewegungen nicht grundsätzlich falsch und abzulehnen. Doch wer eine ganze Bewegung kritisiert – und das kann mensch niemandem verbieten –, sollte dies mit begründeten Argumenten und nicht mit haltlosen Anschuldigungen und verunglimpfenden Bezeichnungen tun und sich vor allem vorher darüber informieren.
Mir als Feministin bleibt nur übrig, mich weiterhin stolz als solche zu bezeichnen und mit meinen Taten und Überzeugungen allen zu zeigen, was Feminismus wirklich bedeutet: Menschen gleichberechtigt behandeln, unabhängig von ihrem Geschlecht. Vielleicht können wir so unberechtigten Vorurteilen und dem Bild der „Feminazis“ entgegenwirken. Es wäre schön, wenn wir das Image des Feminismus verbessern und mehr Leute ermutigen könnten, sich auch für diese gute Sache einzusetzen, statt sie als Bedrohung anzusehen.
Von Charlie