Auf dem Weg zu einem BDP- Präventionskonzept

Seit nun fast 2 Jahren beschäftigen wir uns im BDP verstärkt mit der Prävention sexualisierter Gewalt. Die Initiative kam aus dem Arbeitskreis Gender*Queer und wurde schnell auch in anderen Gremien aufgegriffen. Sophie und Torsten haben im BLATT 1/2019 über die Notwendigkeit der stärkeren Thematisierung von Sexismus und sexualisierter Gewalt geschrieben, ich empfehle euch diesen Text zu lesen. Bei JuleiCa- Schulungen ist das Thema bereits seit einiger Zeit präsent und wird ausführlich besprochen.

Das Vernetzungstreffen politische Bildung hat das Thema aufgegriffen und einen Antrag an die BDV gestellt. Im Antrag war ein erster Entwurf für ein Präventionskonzept enthalten sowie der Vorschlag, einen Präventionsausschuss zu gründen. Dieser Antrag wurde angenommen und der Präventionsausschuss hat die Arbeit aufgenommen.

Anfang 2020 wurde das Präventionskonzept vom Präventionsausschuss überarbeitet und erweitert. Unten könnt ihr die Kurzversion des Konzepts bereits lesen, bei der BDV Ende 2020 wird aber erst darüber abgestimmt. Im Herbst wird eine Schulung zur Prävention von und Intervention bei sexualisierter Gewalt stattfinden. Alle, die sich zu dem Thema fortbilden und austauschen wollen sind herzlich eingeladen teilzunehmen.

 

 

Bundesweites Konzept für die Prävention von und Intervention bei Sexismus und sexualisierter Gewalt im BDP

 

Grundverständnis des BDP

 

Ein umfassendes Konzept für die Prävention von Sexismus und sexualisierter Gewalt ist ein Qualitätsmerkmal guter Kinder- und Jugendarbeit und auch uns im BDP sehr wichtig. Durch die offensive Thematisierung dieses Themengebiets auch unabhängig von akuten Vorfällen signalisiert der BDP, dass wir körperliche Gewalt, sexualisierte Grenzverletzungen, Mobbing, sexistische und rassistische Bemerkungen und diskriminierendes Verhalten nicht bagatellisieren und dulden.

 

Unabdingbar für unser Präventionskonzept ist eine feministische Grundhaltung, die zuallererst Betroffene schützt und diskussionslos als glaubwürdig anerkennt. Dazu gehört auch, sexualisierte Grenzüberschreitungen, egal welcher Form, als Problem zu benennen.

 

In der Rechtsprechung gilt der Grundsatz: Im Zweifel für die_den Angeklagte_n. Wir sind jedoch kein Gericht und brauchen deshalb nicht aufdecken, ermitteln oder die Situation beurteilen, sondern müssen danach handeln, was im Interesse der betroffenen Person ist. In der Aufarbeitung von Verdachtsmomenten bzw. beobachtetem Fehlverhalten und Aussagen mit einer sozialpsychologischen Herangehensweise gilt für uns folglich der Grundsatz: Im Zweifel für die Betroffenen! Im Zweifel für die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen! Dieser Grundsatz kommt aus dem Verständnis, dass es nicht einfach ist, solche Erfahrungen mitzuteilen. Deshalb ist es wichtig, Aussagen oder Beobachtungen nicht zu relativieren oder kleinzureden, sondern ernst zu nehmen und danach zu handeln.

Ein Team aus unterstützenden Personen entscheidet dann in Absprache mit Fachpersonen über die erforderlichen Konsequenzen.



 

Was ist Sexismus?

Wenn wir über sexualisierte Gewalt sprechen ist es notwendig, bei Sexismus anzufangen. Sexismus bezeichnet jede Form der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres zugeschriebenen Geschlechts. Darüber hinaus liegt diesem Phänomen eine Ideologie zugrunde, welche Geschlechterrollen festschreibt und hierarchisiert. Sexismus bezieht sich auf gesellschaftlich erwartete geschlechtsspezifische Verhaltensmuster (Geschlechterstereotype), wobei Männer eine privilegierte Position haben (Patriarchat) und deshalb primär Frauen als von Sexismus betroffen gelten. Aus sozialpsychologischer Perspektive können gleichwohl auch Männer von Sexismus betroffen sein. Patriarchale Verhältnisse führen dazu, dass sexualisierte Übergriffe strukturell eher möglich sind und erschwert es Betroffenen, diese zu benennen und sich dagegen auszusprechen.

Darüber hinaus sprechen wir uns gegen Queer-feindliche Aussagen und Handlungen aus. Diese reichen von herabsetzenden Sprüchen gegenüber Trans*-, Inter*-, nicht- binären Menschen sowie Homo-, Bi-, Pan-, A-sexuellen und A-romantischen Personen hin zur Relativierung oder Negierung dieser Identitäten. Auch lehnen wir das Festhalten an einer klaren Dichotomie zwischen ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ ab, die weitere Geschlechtsidentitäten nicht berücksichtigt. Wir fördern eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Identitäten, damit sich alle Kinder und Jugendlichen bei Veranstaltungen des BDP wohlfühlen und wahrgenommen werden.

 

Was ist sexualisierte Gewalt?

Sexualisierte Gewalt ist eine individuelle, alters- und geschlechtsunabhängige Grenzverletzung. Sie bezeichnet jede sexuelle Handlung, die an einer*m Anderen entweder gegen der*ssen Willen vorgenommen wird, oder der sie*er aufgrund körperlicher, seelischer oder sprachlicher Unterlegenheit nicht zustimmt. Dabei geht es um Machtausübung durch sexualisiertes Verhalten/ sexualisierende Sprache. Sexualisierte Gewalt kann sowohl von Teamenden, Hauptamtlichen, als auch von Teilnehmenden und Dritten ausgehen.

 

Bei sexualisierter Gewalt wird zwischen „Hands- Off“-Formen (Kommentare, Gesten, Exhibitionismus, etc.) und „Hands- On“-Formen (ungewollte Berührungen, nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen, etc.) unterschieden.

 

Prävention als Aufgabe der Kinder- und Jugendarbeit

Es ist eine zentrale Aufgabe von Kinder- und Jugendverbänden, die ihnen anvertrauten Personen zu schützen und ihnen einen möglichst diskriminierungsfreien Raum zu bieten.

Deshalb finden wir es wichtig, dass

  • die Ehren- und Hauptamtlichen sowie Teilnehmenden für die Problematik sensibilisiert sind

  • Präventionsmaßnahmen stetig weiterentwickelt und umgesetzt werden

  • Verbandliche Strukturen bestehen, die angemessene und fachliche Intervention bei Verletzungen des Kindeswohls (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung nach §8a) sowie Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen vorsehen.

  • bei akuten Übergriffen direkt und schnell eingegriffen und die*der Betroffene vor weiteren Gewalthandlungen geschützt wird.

 

Präventionsmaßnahmen können sein:

  • Regelmäßige Schulungen zum Themenfeld Sexismus und sexualisierte Gewalt, aber auch Diskriminierungsformen wie Rassismus, Diskriminierung von queeren Geschlechtsidentitäten, Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, etc.

  • Sensibilisierung und Qualifizierung von Teamenden

  • Verhaltenskodex für Teamende

  • Maßnahmen zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen, der Festigung ihres Selbstvertrauens, der Förderung ihrer Selbstständigkeit und das Informieren der Kinder und Jugendlichen, um beispielsweise Übergriffssituationen zu erkennen, einzuordnen und zu beenden

  • Thematisierung von und Sprechen über Sexualitäten, Identitäten, Grenzen und Konsens

  • Schaffung einer Awareness- Struktur als Teil der Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen

  • Schaffen von geschützten Räumen

  • Atmosphäre schaffen, welche Sexismus nicht fördert bzw. reproduziert (z.B. durch Musik)

  • Klare Aufgabenverteilung, Transparenz den Teilnehmenden gegenüber

  • Sichtbarmachung der Gremien zur Prävention und Intervention



 

Strukturelle Rahmenbedingungen für Prävention von und Intervention bei sexualisierter Gewalt

 

Der Präventionsausschuss wurde 2019 gegründet, um ein Konzept für Prävention von und Intervention bei Sexismus und sexualisierter Gewalt zu erarbeiten. Er setzt sich aus mindestens einer*m Delegierten jeder Gliederung, je einem Mitglied der Bundeszentrale und des Bundesvorstands zusammen.

Die Mitglieder des Präventionsausschusses sind Ansprechpersonen für jene, denen sich ein*e Betroffene*r offenbart hat, bei Beobachtungen, die ein „flaues Gefühl“ hinterlassen, bei Fragen zu sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch und bei sonstigen Problemen und werden diese vertrauensvoll behandeln.

Darüber hinaus bilden sich die Mitglieder des Präventionsausschusses fortwährend weiter, halten das Thema in den unterschiedlichen Gliederungen präsent, beraten sich gegenseitig bei auftretenden Vorfällen und fällen gegebenenfalls Entscheidungen hinsichtlich des Umgangs mit bestimmten Situationen und Konsequenzen.

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt der strukturellen Rahmenbedingungen sind regelmässige Schulungen zu Prävention und Intervention sexualisierter Gewalt. Diese Schulungen werden vom Bundesverband organisiert und stehen allen offen, die im Verband aktiv sind und sich mit der Thematik auseinandersetzen möchten.