Solidarität mit Refugees
Solidarität mit Refugees und Bewusstsein für Ungerechtigkeit
In Anbetracht der aktuellen Lage von flüchtenden Menschen ist es an der Zeit umzudenken und den politischen Willen dafür zu nutzen, bestehende Ungerechtigkeit zu durchbrechen und stattdessen Solidarität und Menschlichkeit zu demonstrieren!
Dem Hamburger Senat bietet sich momentan eine Chance, die er nicht verpassen sollte. In den letzten Monaten ist die Situation von Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen und versuchen, vom afrikanischen Kontinent nach Europa zu kommen, um Schutz und Hoffnung auf ein besseres Leben zu finden, immer mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Die verstärkte Berichterstattung in den Medien über die gefährlichen Fluchtversuche in überfüllten Booten über das Mittelmeer, bei denen jede Woche Menschen sterben, hat die Gesellschaft aufgerüttelt.
Das Bewusstsein für eine verfehlte europäische Abschottungspolitik ist in den Köpfen angekommen!
In Hamburg gibt es seit Anfang diesen Jahres eine Gruppe von Geflüchteten, die unter dem Namen Lampedusa in Hamburg bekannt wurde und deren Mitglieder sich ein neues Leben in der Hansestadt aufbauen möchten. Sie haben eine breite Solidarität von vielen Hamburger_innen erfahren und konnten in verschiedenen Unterkünften vorübergehend unterkommen. Das Vorgehen des Hamburger Senats und vor allem entsprechende Aktionen der Hamburger Polizei haben in den letzten beiden Monaten die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen und für vielfältigen und andauernden Protest in der Bevölkerung gesorgt, die sich mit der Gruppe Lampedusa in Hamburg solidarisiert.
Besonders im Hinblick auf das steigende Bewusstsein in der Gesellschaft für das ungerechte und unmenschliche Vorgehen der Europäischen Union in Bezug auf Schutzsuchende, hat sich die Hamburger Regierung hier in keinster Weise positiv hervorgetan. Im Gegenteil: Sie ignoriert das
vorhandene gesellschaftliche Bewusstsein und verschanzt sich hinter einer Mauer von überholten und vielfach kritisierten juristischen Regelungen. Dabei hat sie sich weder dialogbereit gezeigt, noch eine mögliche Gruppenlösung in Betracht gezogen, für die sogar ganz klare rechtliche Möglichkeiten
bereitstehen (§ 23 des Aufenthaltsgesetz)1.
Ungeachtet von rechtlichen Vorschriften und europäischen oder nationalen gesetzlichen Regelungen geht es aber in der ganzen Entwicklung um einen gesamtgesellschaftlichen Prozess, der eine bestehende Ungerechtigkeit ins Bewusstsein rückt. Es wird vielmehr ein ethisch als ein juristisch
begründetes Vorgehen gefordert, welches Menschen und nicht Nationalitäten bzw. Ländergrenzen in den Fokus stellt. Die paradoxe Realität eines ausgrenzenden und menschenverachtenden
Eurozentrismus wird unter anderem in einem von der Gruppe Lampedusa in Hamburg geprägten Slogan deutlich:
„Wir haben nicht den NATO-Krieg in Libyen überlebt, um auf Hamburgs Straßen zu sterben!“
Die Menschen der Gruppe Lampedusa in Hamburg möchten bleiben: „We are here to stay!“ ist in großen Buchstaben auf ihren Plakaten zu lesen, mit denen sie durch Hamburgs Straßen laufen und ihre Situation der Öffentlichkeit vor Augen führen – gemeinsam mit einer immer größer werdenden Gruppe
von sich solidarisierenden Menschen aus Hamburg und anderswo. Im größeren Kontext geht es allgemein darum, die ausgrenzende und menschenverachtende europäische Außenpolitik zu durchbrechen und sich wieder auf grundlegende Menschenrechte zu besinnen2. Diese Einsicht ist in großen Teilen der europäischen Bevölkerung angekommen. In Hamburg wird der damit verbundene Missstand momentan in einer konkreten Situation offensichtlich und damit (be)greifbar.
In Anbetracht der täglich im Mittelmeer sterbenden Menschen, die sich auf eine gefährliche Reise begeben, um Schutz zu suchen, und im Hinblick auf die katastrophalen Bedingungen, unter denen diejenigen Menschen leiden müssen, denen eine Flucht nach Europa lebend gelingt – sei es in überfüllten Lagern auf Lampedusa in Italien oder anderswo, sei es durch die Herumschiebung dieser häufig traumatisierten Menschen durch europäische Regelungen (Dublin II): Es gilt neu zu denken und den status quo so nicht länger zu akzeptieren oder gar zu manifestieren.
Es gibt Möglichkeiten und Wege, diesen gesellschaftlichen Prozess als Chance zu nutzen, um den Umgang mit schutzsuchenden Menschen hier und jetzt zu überdenken und durch konkretes Handeln zu verändern! Gerade in Hamburg hat sich auf eindrucksvolle Art und Weise gezeigt, wie durch Solidarität
und viel ehrenamtliches Engagement aus der Bevölkerung ein Umdenken und entsprechendes Handeln möglich ist. Jetzt hat der Hamburger Senat die Chance, ebenfalls zu zeigen, dass er die Zeichen der Zeit erkennt und sein Handeln entsprechend ausrichtet, um seinerseits ein beispielhaftes Zeichen zu setzen: nämlich eine Lösung für die Gruppe Lampedusa in Hamburg zu finden, die nicht rechtliche Regelungen
dazu benutzt, um eine Abschiebung zu erwirken, sondern die vorhandenen Möglichkeiten ausschöpft, den Menschen eine Perspektive zu geben und ein dauerhaftes Bleiberecht zu erwirken – die Mittel hierzu liegen bereit, benötigt wird lediglich der politische Willen, diese auch anzuwenden!
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1 In einer Stellungnahme von Hamburgs Aktiven Jurastudent_innen werden beispielsweise diverse Argumente für die Umsetzung dieser Möglichkeit geliefert: http://haj.blogsport.de/images/2013HAJstellungnahme_lampedusaHH.pdf
2 Zum Beispiel festgeschrieben in der Europäischen Menschenrechtskonvention: http://www.echr.coe.int/Documents/Convention_deu.pdf
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Bild: http://lampedusa-in-hamburg.tk/