Adieu Plöngcity
Infobox
Was ist eigentlich...
...Plöngcity?
Plöngcity war eine Spielstadt, die 1994 das erste Mal in Form einer 10-tägigen Freizeit für Jugendliche ihre Tore öffnete. Eines der wichtigsten Bestandteile Plöngcities waren die sogenannten PeBs, die „Plöngcity eigenen Betriebe“, in denen die Teilnehmer_innen tagsüber „arbeiteten“. Beliebte PeBs der vergangenen 24 Jahre waren z.B. Video, Café, Naturkunst, Schwarzlichttheater, Body-Percussion, Actionpainting oder Zeitungsredaktion. Mit der stadteigenen Währung „Plöngs“ konnten selbst gemachte Cocktails oder die Tageszeitung gekauft werden. Jeden Abend wurden die Ergebnisse aus den PeBs präsentiert.
Ein wichtiger Treffpunkt war das „Parlament“, in dem alle Themen der Stadt und der Bewohner_innen besprochen wurden. Hier wurde debattiert über Fragen zur Nachtruhe, Kaminzimmer1, Salami-Steuer oder Plöng-Verteilung. Am „Plöngmittwoch“, dem städtischen Feiertag, war Zeit zum Ausschlafen, Musizieren und Spielen. Über die gesamte Zeit stand außerdem ein spannendes, politisches Thema im Vordergrund, zu dem es besondere Einheiten gab, wie zu den Themen Soziale Netzwerke, Faire Kleidung, Identität, Grenzen, Wasser, Gewaltfreie Kommunikation, Menschenrechte, Heimat oder Leistungsdruck. Am Ende der Woche fand eine große Präsentation für Verwandte und Freund_innen statt, bei der gezeigt wurde, was in Plöngcity alles entstanden ist.
1Raum zum Aufenthalt für immer noch energiegeladene Teilis ab Beginn der Nachtruhe.
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Eine geniale Veranstaltung verabschiedet sich
„Heute ist Plöngmittwoch!!!“, lese ich am Ende der Mail von Anita aus dem BDP Rheinland-Pfalz. Es ist kurz vor Ostern als ich anfange, den Artikel zu schreiben und denke: „Ja, stimmt! Eigentlich wäre ich jetzt auf der Waldeck und würde den sonnigen, städtischen Feiertag genießen.“ In Gedanken liege ich mit Schlafsack auf der Wiese vor dem Haupthaus, genieße noch eine Leckerei vom Brunch und höre zu, wie jemand aus „Die Känguru-Chroniken“ vorliest. Dieser Gedanke zaubert mir sofort ein Lächeln auf die Lippen – wenn auch zum Teil ein melancholisches...
Letztes Jahr fand das 24. und letzte Plöngcity statt. 24 Jahre voller Inspiration, Lebensfreude, Hochgenuss, Politik, Kunst, Natur, Ehrenamt und Engagement. Es war besonders und einmalig, was in dieser Zeit entstanden ist und ist deshalb gar nicht so leicht in Worte zu fassen. Denn der Text im Infokasten verrät noch lange nicht, was es heißt, im Plöngcity-Rausch zu sein!
Viele Teilnehmer_innen kamen immer wieder, haben Freund_innen mit dem Fieber angesteckt und alle Altersgrenzen ausgereizt, um doch noch ein allerletztes Mal mitfahren zu können. Und irgendwann wurden aus Teilnehmer_innen Teamer_innen.
Was für beide Seiten gleichermaßen inspirierend war, war das Gefühl, in eine ganz eigene, besondere Welt einzutauchen. Ich konnte die reale Welt außen vor lassen, aus der Alltags-Rolle aussteigen, mal ganz ich selbst sein. Der Anspruch war immer BDP-Werte wie Toleranz, Wertschätzung und achtsamen Umgang miteinander zu leben. Plötzlich konnte man beobachten, wie viele eine Maske ablegten und die Freiheit genossen sich selbst auszuprobieren oder eigene Grenzen kennenzulernen.
Der BDP und auch Plöngcity hat immer von den unterschiedlichen Menschen gelebt, die ihre eigene Geschichte und Ideen mitgebracht haben. Das Gefühl, ein wichtiger Teil der Gruppe zu sein, gehört und respektiert zu werden, hat zu dem Plöngcity-typischen großartigen Gemeinschaftsgefühl und der inspirierenden Atmosphäre beigetragen. Durch viele kleine, aber wichtige Aspekte wurde das spürbar: durch jede abendliche PeB-Präsentation und den wertschätzenden Applaus für jede_n Einzelne_n, durch jede Konsensfindung1 und durch jedes gruppendynamische Spiel, wie zB Funky Chicken, die Menschliche Maschine oder das Spinnennetzspiel. Bei der großen Präsentation am Schluss des Projekts konnte man förmlich sehen, wie Berge versetzt wurden und wie stolz alle waren ob der Ergebnisse, die zusammen entstanden sind.
Strukturell hat sich Plöngcity innerhalb dieser 24 Jahre immer wieder verändert. Die ersten Jahre waren sehr viel deutlicher durch die Stadtstruktur geprägt, es gab ein Arbeitsamt und Arbeitslose, Bürgermeister_innen, Armen-Parlamente und Streiks. Oft gab es mehr verschiedene PeBs als PeB-Tage. In den letzten Plöngcities gab es allerdings nur noch drei klassische PeB-Tage, um mehr Großgruppen-PeBs einzubauen. Da gabs mal einen Kunsttag mit einem Graffiti-Künstler oder einen Kochtag mit Plöngcity-Köchin Maria, bei dem aus geretteten Lebensmitteln ein komplettes Menu zubereitet wurde. Die beiden beliebten PeBs Café und Zeitung wurden zuletzt nicht mehr von Teamer_innen geleitet, sondern liefen selbstverwaltet. Damit wurden vor wenigen Jahren sogar die Plöngs abgeschafft, da sie als Währung praktisch nicht mehr eingesetzt wurden – obwohl sie für viele ein wichtiger Bestandteil Plöngcities hinsichtlich des Stadtcharakters waren.
Bereits in den ersten zehn Jahren wurden die politischen Themen stärker in den Vordergrund gestellt. Wir hatten verschiedene Gäste, die uns einen Blick in die Welt gezeigt haben: Menschen aus dem Abschiebeknast Ingelheim, Geflüchtete aus dem Kosovo, Filmdarsteller_innen und -Regisseur_innen, Jugendbands, Theatergruppen und Tanzlehrer_innen. Langsam wurde es inhaltlich anspruchsvoller, was sich auch an der Altersstruktur bemerkbar machte. Das Einstiegsalter von elf Jahren rutschte auf 13 und auch der Betreuungsschlüssel war meistens sehr hoch. In Plöngcity ging es eben immer um Inhalte, es war nie eine Massenveranstaltung.
Aus den Erfahrungen der vergangenen Plöngcities entwickelte Anita mit dem Team immer neue Ideen und Konzepte und besonders in den letzten Jahren wurde Anitas Herzens-Thema Achtsamkeit immer präsenter, so versuchten wir uns auch in Meditationen oder einem Blindenessen. Letztes Jahr war der Tag zu diesem Thema mit buddhistischen Mönchen und Nonnen für alle sehr eindrucksvoll.
Hinter all dem stand auch immer die Frage und das Anliegen, etwas davon mit ins "echte" Leben zu nehmen. 24 Jahre wurden Samen gesät, die aufgehen können – und es sind schon unglaublich viele aufgegangen! Damit steigt die Zuversicht, dass diese Veranstaltung in die Welt gewirkt hat!
Es war der richtige Zeitpunkt, eine geniale Veranstaltung mit großer Dankbarkeit zu verabschieden. Tausend Dank an die Waldeck für diesen wunderschönen Ort, an Maria für die sensationellen vegetarischen Köstlichkeiten, an die Teilnehmer_innen, die Plöngcity jedes Jahr durch ihre Freude und Ideen einmalig gemacht haben, an die ehrenamtlichen Teamer_innen für ihr Engagement und ihre Energie, an den BDP RLP und ganz besonders an Anita, die „Mama“ von Plöngcity für diese phantastische Kreation, die so viel gegeben hat und immer bleiben wird!!
Von Alina
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1Aus dem Lexikon der erklärungsbedürftigen Umgangsformen, Regeln und Verabredungen Plöngcities und Umgebung: Konsensverfahren, das: Um zu Entscheidungen zu kommen, in denen alle Bedürfnisse berücksichtigt sind, ist es gut und wichtig, alle Meinungen zu hören und so lange zu diskutieren bis eine Lösung gefunden ist, mit der alle zufrieden sind.
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