Prävention sexualisierter Gewalt. Entwicklung eines Schutzkonzeptes gegen sexualisierte Gewalt

 

Der BDP sollte für uns alle ein sicherer Ort sein. Ein Ort, in dem wir uns frei ausdrücken und entfalten können. Dafür muss der BDP auch ein Schutzraum sein, in dem niemand sexualisierten Übergriffen oder Machtmissbrauch ausgesetzt ist oder diese befürchten muss. Diese Utopie ist oft formuliert worden, das pädagogische Handeln der Teamenden ist darauf ausgerichtet.

Leider müssen wir ganz offen feststellen, dass die Realität nicht immer den Ansprüchen genügt. Es gab und gibt sexualisierte Gewalt in allen Jugendverbänden, der BDP bildet da leider keine Ausnahme!

Im BDP engagieren sich viele unterschiedliche Menschen, die jedoch alle von der patriarchalen und kapitalistischen Gesellschaft geprägt und selbstredend niemals frei von Fehlern sind. In dieser Gesellschaft vorhandene Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse tragen sich somit auch in den BDP, auch wenn wir in unserer verbandlichen Praxis versuchen, diese aufzudecken und aufzulösen.

Vor diesem Hintergrund hat der BDP Bundesverband einen Prozess gestartet, in dem innerhalb von ein bis zwei Jahren ein umfassendes und an die Praxis angepasstes Schutzkonzept vor sexualisierter Gewalt entwickeln werden soll. Dieses Schutzkonzept soll nicht in Schubladen verstauben, sondern präsent sein und aktiv betrieben werden. Der BDP erfüllt natürlich den gesetzlichen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII, jedoch reichen unserer Meinung nach die bisherigen Schutzkonzepte nicht aus, um unserem emanzipatorischen Selbstverständnis gerecht zu werden.



Der Arbeitskreis gender*queer hat sich in den letzten Jahren intensiv mit verschiedensten Diskriminierungsformen befasst. Daraus entstand zunächst ein Konsensplakat und -konzept. Der Wunsch war, ein achtsames Miteinander im BDP weiter zu fördern und klar sichtbar zu machen. Zudem soll die Haltung des offenen Sprechens über Sexualität*en stärker gefördert werden. Begleitet wird dieses Präventionskonzept von der Safer Sex Box, gerade schließt der AK außerdem die Arbeit an der neuen Mensis Box ab. Dabei haben wir diese Maßnahmen auch immer explizit für beispielsweise (gender)queere und/oder trans* Menschen mitentwickelt. Generell versucht der AK gender*queer immer, für alle Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten funktionierende Methoden und eine Sprache zu finden. Die Lebensrealitäten abseits von heterosexuell und cisgeschlechtlich sollen gleichermaßen sichtbar sein sowie respektiert und geachtet werden.

Unabdingbar für dieses neue Schutzkonzept ist eine feministische Grundhaltung, die zuallererst Betroffene* schützt und diskussionslos als glaubwürdig anerkennt. Dazu gehört auch, sexualisierte Grenzüberschreitungen, egal welcher Form, nicht kleinzureden, sondern als Problem zu benennen. Alle Fachorganisationen legen diese bekennend parteiliche Haltung zu Grunde, daran orientiert sich der BDP ebenfalls. Der Geschäftsführende Ausschuss vom März 2019 hat diese Grundhaltung begrüßt. Aufbauend darauf soll das Konzept in Zukunft den Umgang im Verdachtsfall regeln und damit auch eine wichtige Hilfestellung für Teamende bieten.

Gleichzeitig geht es auch um die Verhinderung solcher Vorfälle. Die Präventionsarbeit soll helfen, potentiell problematische Strukturen besser als solche zu erkennen und zu verändern. Die Gewissheit, dass sexualisierte Gewalt und Übergriffe in allen Verbänden und somit auch bei uns vorkommt, ist die erste Wahrheit, die angenommen werden muss. Entscheidend ist jedoch, wie wir damit umgehen wollen. Dafür braucht es ein klares, präsentes Konzept. Mittels diesem sollen Teamende sensibilisiert und weitergebildet werden. Das Konzept des offenen Sprechens soll gerade auch im Verdachtsfall greifen. Die feste Etablierung eines solchen Konzeptes ist hier bereits ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einem breiteren Bewusstsein für die Problematik. Dadurch werden Täterstrategien verhindert oder zumindest in ihrem Ansatz geschwächt. Selbstverständlich müssen auch queere Menschen und die Diskriminierungsformen und potentiellen Übergriffe, die diese im besonderem Maße ausgesetzt sind, von Anfang an mitgedacht werden.



Der AK gender*queer sieht es als seine Aufgabe an, mit dazu beizutragen, dass der BDP weiter an sich arbeitet, wenn es darum geht, ein aufgeklärtes, sicheres und emanzipiertes Umfeld für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu schaffen. Dies ist immer die Motivation und der Hintergrund unserer Arbeit. Nach einem tiefen Durchatmen haben wir als AK beschlossen, uns an dieses auch für uns sicherlich nicht einfache Thema zu wagen.

 

Die Entwicklung eines solches Konzepts wollen und können wir als AK gender*queer selbstverständlich nicht allein leisten. Wir sehen hierbei den gesamten Verband mit all seinen unterschiedlichen Gliederungen in der Pflicht und wünschen uns einen konstruktiven gemeinsamen Austausch.

Wir als AK Gender*queer geben gerne den Anstoß und Hilfestellung in der gemeinsamen Arbeit am Schutzkonzept. Dabei holen auch wir uns Unterstützung in Form von Workshops und Expert*innen und können dankenswerterweise auch auf bereits vorhandene Konzepte von anderen Verbänden zurückgreifen. Dennoch sehen wir die Notwendigkeit, ein eigenes an die Praxis und Strukturen des BDP angepasstes Konzept aufzubauen. Dabei ist es uns auch wichtig, queere Menschen und die Diskriminierungsformen und potentiellen Übergriffe, die diese im besonderem Maße ausgesetzt sind, von Anfang an selbstverständlich mitzudenken.

All dies ist für uns als AK, aber zweifelsohne auch für den gesamten Verband, eine unbequeme, aber absolut notwendige Herausforderung. Gleichzeitig können wir als Einzelne, als jeweilige Teams und als gesamter Verband aber auch deutlich daran wachsen. Deshalb sind wir auch durchaus gespannt auf diesen Prozess und freuen uns darauf, ihn alle gemeinsam zu gestalten und dabei zu lernen.

Von Sophie und Torsten